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Widerrufsrecht rettet Verbraucher vor 21.000 Euro Rechnung

Stand:
Im konkreten Fall aus unserer Beratungspraxis konnte der Betroffene sich nur dank einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung von der teuren und unseres Erachtens nicht bedarfsgerechten Beratung eines Honorarberaters lösen. Weiter unten finden Sie auch ein Interview mit dem Betroffenen.
Business-Talk Hände
  • Die Transparento GmbH hatte bei Verträgen rund um Finanz- und Vorsorgeplanung keine oder keine ausreichende Widerrufsbelehrung vorgelegt.
  • Ist die Widerrufsbelehrung falsch oder fehlt sie komplett, können sich Verbraucher:innen auch nach 14 Tagen noch von dem Vertrag lösen.
  • Damit Verbraucher:innen die für sie idealen Finanzprodukte auswählen können, ist es wichtig, dass Beratung unabhängig erbracht wird.
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Die Transparento GmbH hatte bei Verträgen rund um Finanz- und Vorsorgeplanung keine oder keine ausreichende Widerrufsbelehrung vorgelegt. Im konkreten Fall aus unserer Beratungspraxis konnte der Betroffene sich nur dank einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung von der teuren und unseres Erachtens nicht bedarfsgerechten Beratung eines Honorarberaters lösen.

Nach geltender Rechtslage können Verbraucher:innen Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurden, in der Regel 14 Tage lang widerrufen und bereits gezahltes Geld zurückfordern. Anbieter müssen über dieses Recht transparent und rechtlich korrekt informieren. Ist die Widerrufsbelehrung falsch oder fehlt sie komplett, läuft die Frist für den Widerruf nicht ab. Dann können sich Verbraucher:innen auch später noch von dem Vertrag lösen.

Ein Lichtblick für alle, die in nicht bedarfsgerechten Verträgen stecken, denn: Wie bei dem abgemahnten Fall der Transparento GmbH kann es um mehrere tausend Euro gehen: Knapp 21.000 Euro einmaliges Honorar, dazu mindestens 82 Euro laufende Kosten pro Monat für 29 Jahre. So viel sollte Herr Schmidt (Name geändert) für eine Finanz- und Vorsorgeberatung samt Anlage an die Transparento GmbH zahlen. Nachdem er alle Unterlagen von dem Berater erhalten hatte und sich der Verdacht regte, übervorteilt worden zu sein, wandte er sich an die Verbraucherzentrale. Diese stellte im Rahmen ihrer Verbraucherberatung bei der Überprüfung der Verträge fest, dass das Angebot von Transparento für den Verbraucher nicht bedarfsgerecht war.

Das Beratungsgespräch hat von Anfang an auf die Vermittlung einer Versicherung abgezielt. Diese Empfehlung wurde mit fragwürdigen Vergleichsrechnungen zu einem angeblichen „Mehrwert“ nach 29 Jahren begründet. Für die Anlage wurde ein Arbeitsaufwand von angeblich 80 Arbeitsstunden kalkuliert, der in keinem Verhältnis zu der Beratungsleistung steht. Gegen die nicht bedarfsgerechte Beratung hatte der Verbraucher aber rechtlich keine erfolgversprechende Handhabe. Im Rahmen der Rechtsberatung stellte sich dann heraus, dass der Anbieter den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert hatte. Im vorliegenden Fall fand die Beratung telefonisch und per Screensharing statt. Die Verbraucherzentrale mahnte Transparento daraufhin ab, diese unterzeichnete eine Unterlassungserklärung. Herr Schmidt konnte seinen Vertrag erfolgreich widerrufen.

In unserer Beratungspraxis nehmen vergleichbare Fälle und Beschwerden zu. Sie belegen, dass Verbraucher:innen auch durch Honorarberater:innen übervorteilt werden können.

Damit Verbraucher:innen und Verbraucher die für sie idealen Finanzprodukte auswählen können, ist es wichtig, dass dabei keine Interessen Dritter entgegenstehen, d.h. dass eine Beratung wirklich unabhängig erbracht wird.
(Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz)

Der Gesetzgeber hat zwar mit einigen gewerberechtlichen Änderungen Alternativen zum Provisionsverkauf geschaffen, bei denen keine Provisionen fließen dürfen. Die Interessenkonflikte wurden so aber nicht beseitigt, sondern auf eine andere Ebene verlagert. Im Ergebnis sichert die geltende Rechtslage die Erwartungen der Verbraucher:innen an eine Finanzberatung weiterhin nicht ab. Die Folgen für Verbraucher:innen sind dramatisch, denn meist geht es um ihre Altersvorsorge.


Niels Nauhauser (Verbraucherzentrale Baden-Württemberg)  im Gespräch mit Matthias Schmidt*

"Es war unmöglich, alles zu verstehen"

Herr Schmidt, Sie sind noch keine 40 Jahre alt. Weshalb haben Sie sich mit dem Thema Geldanlage beschäftigt? Gab es einen Anlass?

Matthias Schmidt: Einen konkreten Anlass gab es nicht. Ich wollte mich schon seit längerem mit dem Thema Geldanlage und Altersvorsorge beschäftigen. Es musste doch etwas Besseres geben, als das in den letzten Jahren angesparte Geld zu null Prozent Zinsen auf dem Tagesgeldkonto liegen zu lassen.

Bei der Suche nach einem Anbieter haben Sie sich für die Transparento GmbH entschieden. Wie kam es dazu?

Ich wollte auf jeden Fall einen Finanzberater, der meine Interessen vollumfänglich berücksichtigt und mich unabhängig von einer möglichen Provision gut berät. Der Verbund Deutscher Honorarberater hat meine Anfrage für eine Beratung dann an Thomas Berninger, den geschäftsführenden Gesellschafter der Finanzberatung „Transparento GmbH“, weitergegeben. Auf deren Homepage habe ich mich dann weiter über die Firma informiert. Die Qualifikationen, mit denen dort geworben wird, klangen beeindruckend und haben mich letzt-lich überzeugt.

Wie lief die Beratung ab?

Die Beratung bestand aus mehreren Telefonaten. Bei den ersten Gesprächen behauptete der Finanzberater, dass ich mit rund 6.000 Euro Honorar-Einsatz einen Mehrgewinn von circa 160.000 Euro bis zur Rente herausholen könne. Es wurde aber vage anhand von Beispielen formuliert, außerdem wurde nicht genau erklärt, um welches Finanzprodukt es letztendlich dabei ging. Um weitere Details zu bekommen, musste ich erst einen Finanzplan für 7.140 Euro beauftragen. Dieses Honorar sollte dann mit dem späteren, eigentlichen Auftrag zur Geldanlage verrechnet werden. Ich habe letztlich beides unterschrieben.

Weshalb haben Sie trotz der unvollständigen Informationen unterschrieben?

Nach dem Abschluss des ersten Vertrages für den Finanzplan war ich in einer Zwickmühle: Der Finanzmakler hatte mir zwar nach der Unterschrift per Screensharing am Bildschirm verschiedene Simulationsrechnungen gezeigt, hatte mir jedoch wiederum keine Details ausgehändigt. Ich musste mich also entscheiden: Unterschreibe ich den zweiten Vertrag nicht und verliere die 7.140 Euro für die Beratung, ohne etwas in der Hand zu haben? Oder unterzeichne ich auf Verdacht einen unverschämt teuren Vertrag und hoffe, dass die vagen Gewinnversprechen stimmen?

Um wie viel Geld ging es bei dem Abschluss des Vertrags?

Nach Abschluss des zweiten Vertrages sollte ich zunächst einmalig Honorargebühren in Höhe von 20.900 Euro zahlen. Der Betrag setzte sich zusammen aus einem Zeithonorar über 80 Stunden zu je 175 Euro und aus einem Mehrwert-Honorar von knapp 11.000 Euro für die empfohlene Geldanlage. Davon wurde dann noch ein Rabatt abgezogen. Für die Laufzeit des Vertrags, also für 29 Jahre, sollte ich dann 82 Euro Honorar pro Monat zahlen, um 1,5 Prozent steigend pro Jahr. Das Ganze galt für einen Anlagebetrag von 49.000 Euro und eine Sparrate von 500 Euro/Monat. Die hohen  Honorarkosten haben mich stutzig gemacht.

Was hat Sie noch irritiert?

Nachdem ich den Vertrag erhalten hatte, fühlte ich mich gedrängt, ihn möglichst noch am selben Tag zu unterschreiben und an Transparento zu schicken. Und das, ohne dass ich handfeste Details oder Dokumente in der Hand hatte. Ich habe mir dann trotzdem noch ein paar Tage Zeit gelassen und dann den Schritt gewagt, um des Gewinnversprechens willen zu unterschreiben. Erst nachdem ich Wochen später die Antragsdokumente für „fondsgebundene Rentenversicherungen“ mit den realen Renditeerwartungen bekommen habe, wurde mir klar, dass das Ganze nicht nach meinen Wünschen verlaufen war. Geärgert habe ich mich auch über die Beratungsprotokolle, die erst viel zu spät ausgehändigt wurden, nämlich mehrere Wochen nach der Vertragsunterzeichnung. Wichtige Punkte, die dort aufgeführt sind, haben wir in der Beratung so nie besprochen oder sie wurden nicht korrekt ins Protokoll übernommen.

In dem Beratungsprotokoll, das Sie uns zusammen mit anderen Unterlagen geschickt haben, steht, dass nicht prüfbar sei, ob die Geldanlage angemessen und geeignet ist, weil Sie einige Angaben nicht machen wollten. Genannt sind zum Beispiel Bedarf, Anlageziele und Erfahrungen mit Finanzprodukten. Weshalb wollten Sie dazu nichts sagen?

Das ist so ein Beispiel, wie die Beratung falsch dokumentiert wurde. In den Gesprächen hatten wir über all die Punkte gesprochen und ich hatte dem Berater mein Wunsch-Szenario – Immobilienkauf, Familiengründung – mitgeteilt.  Es wurden dann auch Modellrechnungen hierzu durchgeführt. Ich habe nie Auskünfte verweigert.

Was ist noch aus Ihrer Sicht schiefgelaufen?

Es mag sein, dass die letztendlich vorgeschlagene Geldanlage für manche Leute trotz der hohen Honorare Vorteile hat. Allerdings habe ich zu spät gemerkt, dass die Anlageform nicht das ist, was ich eigentlich wollte. Zu Beginn kam ich mit dem Wunsch in die Beratung, mein Geld sinnvoller – nämlich kurzfristig verfügbar aber auch gewinnbringend – anzulegen. Am Ende der Beratung sollte dann mein gesamter aktueller und zukünftiger Haushaltsüberschuss in Rentenversicherungsverträge gesteckt werden, die ich möglichst erst in 30 bis 40 Jahren wieder antasten sollte, ansonsten drohen massive Verluste. Diese Diskrepanz habe ich erst nach Vertragsunterzeichnung gemerkt, da ich geblendet war von dem in Aussicht gestellten Gewinn von über 160.000 Euro und da ich bis zum Schluss nicht wusste, dass das Geld in „fondsgebundene Rentenversicherungen“ eingezahlt werden sollte.

Was mich jedoch am meisten erschreckt, ist das unglaublich hohe Honorar. Nach Ablauf der 29 Jahre hätte ich insgesamt 20 Prozent meiner zur Verfügung stehenden Einzahlsumme in Form von Honorar verloren. Bei sofortiger Kündigung nach Vertragsabschluss wären es sogar 30 Prozent Honorarkosten.

Sie haben versucht, die Beratung selbst zu protokollieren. Ihre Aufzeichnungen zu dem angeblichen Mehrwert der Empfehlung von Transparento sind voller Fragezeichen. Da ist von Faktorrenditen die Rede und von Renditen von über sieben Prozent.

Es war unmöglich, das alles zu verstehen. Der Berater sprach von einem Mehrwert seiner Empfehlung gegenüber einem herkömmlichen ETF Sparplan durch Zugang zu speziellen Produkten mit höherer Rendite und sehr geringen Kosten und durch Steuervorteile. Nachvollziehen oder überprüfen konnte ich das alles aber nicht.

* Name von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geändert. Der tatsächliche Name des Verbrauchers ist der Verbraucherzentrale bekannt.

 


Der Artikel ist erschienen in der Verbraucherzeitung 02/2021

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